„Jeder Topf hat seinen Deckel“ heißt es. Doch dann gibt es diese Freundin oder den Bekannten, der im Freundeskreis durch ein immer gleiches Verhalten auffällt. Mit den Partnern haben sie scheinbar nie Glück. Beziehungen zerbrechen schnell oder kommen erst gar nicht zustande. Die Ansprüche scheinen fast unerfüllbar zu sein, der Wunsch nach einem dauerhaften Partner eher zweitrangig. Das ist zunächst nicht so ungewöhnlich. Schwierig wird es, wenn dahinter eigentlich die Angst vor Bindungen steckt. Vielleicht sind bereits eigene Beziehungen zerbrochen, weil der Partner plötzlich auf Distanz gegangen ist, feste Bindungen ablehnte und keine Nähe zuließ.
Dieser Artikel wird die Hintergründe der Bindungsphobie näher erklären und zeigen,wie sich Symptome erkennen lassen. Ganz zum Schluss gibt es auch einige Hinweise, wie sich trotz Bindungsangst eine stabile Beziehung aufbauen lässt. Aber dazu später mehr.
Bindungsangst in der Psychologie
Bindungsängste sind in der Angst- und Paartherapie gut bekannt: distanziertes Verhalten beim Partner, Schmerz und die Angst vor dem Verlassenwerden spielen hier eine große Rolle. Häufig sind Erlebnisse aus der Kindheit und negativ erlebte Beziehungen von Eltern oder nahen Verwandten ein Grund, Beziehungen eher skeptisch gegenüber zu stehen. Vor allem die Scheidung der Eltern sowie eigene, schmerzhafte Trennungen beeinträchtigen das Vertrauen in Bindungen und Partnerschaften. Bei einer Scheidungsrate von über 40 Prozent (Stand: 2014) ist es wenig verwunderlich, dass eigentlich dauerhaften Beziehungen geringes Vertrauen entgegen gebracht wird. Wenn es dann zum Rosenkrieg kommt und Kinder sich bewusst für einen Elternteil entscheiden müssen, kann sich das in einer realen Bindungsangst festigen. Den erlebten Schmerz der Eltern und die eigenen Erlebnisse des Verlassenwerdens durch den scheidenden Elternteil begründen die Vermeidungsstrategie, selbst möglichst wenig Nähe zuzulassen.
Denn bei einer Bindungsphobie können intensive Nähe und die Verbindlichkeit einer dauerhaften Partnerschaft nicht akzeptiert werden. Stattdessen sucht der bindungsängstliche Part bei großer Nähe schnell das Weite und lässt seinen Partner zutiefst verwirrt zurück.
Bitte nicht verwechseln: Bindungsängstliche sehnen sich meist verzweifelt nach der intensiven Nähe in einer dauerhaften Partnerschaft. Sie sind keineswegs beziehungsunfähig. Teilweise wird die Partnersuche sogar sehr aktiv betrieben, um dann kurzfristig intensivere Kontakte abzublocken. Der Wunsch, sich an den Partner zu binden ist da. Ihm steht die Angst, erneut verlassen zu werden und dadurch den Schmerz der bereits erlebten Trennungen wiederholen zu müssen, entgegen.
Die Beziehungsphobie: kein rein männliches Problem
Tatsächlich treten Beziehungsängste und Bindungsprobleme gleichermaßen bei Männern und Frauen auf. Subjektiv scheinen mehr Männer als Frauen Bindungsangst zu haben und sich vor größerer Nähe zu scheuen.
Während sich Männer aber grundsätzlich eher gegen tiefere Partnerschaften sperren, wählen Frauen andere Wege. Beispielsweise durch die Wahl unerreichbar erscheinender Partner, etwa durch eine Fernbeziehung oder weil der Partner verheiratet ist. Echte Nähe und Verbindlichkeit können so nur schlecht entstehen. Eine Fernbeziehung wird von Männern und Frauen mit Bindungsangst jeweils gern gewählt. Sie verbindet die Vorteile einer Partnerschaft mit der offensichtlichen Distanz, die ein zu starkes emotionales Engagement verhindert. Fernbeziehungen sind zugleich über recht eigenständige Alltagsroutinen gekennzeichnet und lassen auch hier die Vermeidungsstrategien der Bindungsphobie erkennen.
Wird eine Beziehung zu nah, bemüht sich der Beziehungsängstliche unbewusst um Distanz. Das kann mit schmerzhaften Methoden wie Seitensprüngen und Trennung einhergehen. Alles nur, um selbst nicht verletzt zu werden, indem womöglich der Partner die Trennung einläutet. Stattdessen wird die Beziehung unbewusst sabotiert, der Partner verletzt und die eigenen Vorbehalte gegen Beziehungen gestärkt.
Bindungsstörung erkennen
Es gibt einige Tests im Internet, die eine Einschätzung für eine mögliche eigene Beziehungsphobie anbieten. Mit diesen acht Fragen zeigt sich zumindest eine Tendenz, wie weit man sich selbst auf Partnerschaft und Bindung einlassen kann.
- Sprechen Sie eher ungern über Gefühle und emotionale Bedürfnisse?
- Ist in Ihrer Zukunftsplanung Ihr Partner enthalten?
- Wie gern verbringen Sie Zeit für sich allein?
- Behalten Sie Geheimnisse lieber für sich?
- Haben Sie oft Gedanken an Trennung?
- Wünschen Sie sich den Single-Status zurück?
- Wie gut können Sie Ihrem Partner vertrauen?
Hier geht’s zum Test: http://www.partnerschaft-beziehung.de/beziehungsangst-test.php
Bei der Partnersuche kann es hilfreich sein, beim Kennenlernen auch die bisherigen Beziehungen anzusprechen. Bei einer Bindungsphobie wird der mögliche Partner die Schuld am Scheitern einer Beziehung weit von sich schieben. Typisch sind auch Sätze wie „Da war der/die Richtige einfach noch nicht dabei“ oder „Der Zeitpunkt hat einfach nicht gepasst.“
Ursachen und Symptome der Bindungsphobie erkennen
Beziehungsangst führt häufig zu vergleichsweise kurzen Beziehungen. Die Partnerschaften schwanken zwischen Phasen aus großer Nähe und schmerzhafter Distanz. Bei ihrer Familie und im Freundeskreis sind die Freunde mit Beziehungsangst dafür bekannt, dass kaum jemand ihren Ansprüchen an Partnerschaft gerecht werden kann. Häufige Partnerwechsel oder sehr lange Zeiten ohne jede Beziehung kommen ebenfalls häufiger vor.
Langfristige Zukunftsplanungen lehnen Beziehungsängstliche eher ab. Auf Druck und die Forderung nach einer verbindlichen Partnerschaft reagieren sie mit Rückzug, klarer Distanz und der Forderung, „mehr Freiraum“ zu benötigen. Das kann bis zum vollständigen Abtauchen und fehlender Reaktion auf Kontaktwünsche, Anrufe oder Besuche führen. Für ihre Partner ist das sehr frustrierend, eine Trennung ist für die Partner oft der letzte logische Schritt. Parallel schürt das die bereits vorhandene Angst vor dem Verlassenwerden, die eine Bindungsphobie bei den Betroffenen ausmacht.
Die Symptome reichen deshalb auch von allgemein eher kühlem Auftreten in der Beziehung über das konkrete Problem, keine Emotionen formulieren zu können bis hin zur klaren Weigerung, die Zukunftsplanung gemeinsam mit dem Partner anzugehen. Eine gemeinsame Wohnung oder längere Ferien werden als Einschränkung empfunden und aus Angst vor zu viel Nähe abgelehnt.
Physisch schlägt sich die Beziehungsangst beispielsweise in Herzklopfen, Übelkeit, Reizdarm und ähnlichen Beschwerden nieder.
Von der Bindungsangst zur glücklichen Partnerschaft
Vor jeder Beziehungsarbeit steht die Selbsterkenntnis, dass eine Beziehungsangst vorliegt. Erst mit dieser Einsicht kann dann in kleinen Schritten daran gearbeitet werden, bewusst Nähe in der Partnerschaft zuzulassen. Zuviel Druck und die Forderung nach Verbindlichkeit lösen die unbewussten Verhaltensmuster aus, die auf beiden Seiten große Schmerzen bedeuten.
In kleinen Schritten kann Nähe aufgebaut werden, um den Bedürfnissen beider Partner gerecht zu werden. Kommunikation ist an der Stelle sehr wichtig. Dem Partner ohne Bindungsphobie fällt das wahrscheinlich leichter, während es für den Bindungsphobiker schwer bleibt, seine Emotionen auszudrücken. Auslöser für Distanzwünsche und Freiraumforderungen lassen sich häufig auf bestimmte Punkte eingrenzen. Ist der Partner darauf eingestellt, können diese Punkte umsichtig angesprochen werden. Manchmal genügt das Behalten der eigenen Wohnung als Rückzugsort, manchmal muss es der Urlaub ohne den Partner sein. Dem fällt das Verständnis für diese Ansprüche leichter, wenn er sie als Teil der Bindungsangst erkennt und zuordnen kann.
Auf lange Sicht hilft tatsächlich nur eine professionelle Unterstützung. Um aus dem Kreislauf aus Beziehung, unbewusster Herbeiführung der Trennung und stärker werdenden Verlassensängsten auszubrechen, ist beispielsweise eine Therapie sinnvoll. Nähe, Vertrauen und Sicherheit ergeben sich erst im Lauf der Zeit innerhalb einer Beziehung. In der Therapie werden Strategien erarbeitet, um Nähe zuzulassen und sich auf eine feste Bindung einzustimmen. Beziehungsprobleme werden damit nicht völlig verschwinden, aber in weniger destruktivem Verhaltensmustern ausgetragen werden. Eine gesunde und normale Partnerschaft ist mit jemandem, der an Beziehungsangst leidet, möglich. Vorausgesetzt, der- oder diejenige arbeitet daran, die Bindungsphobie langfristig aufzulösen.